BASA

116 J. Reiter Beweisverfahrens einführt mit den Worten: Et quidem credimus te esse aliquid quo nihil maius cogitari possit. 3 Eine kurze Andeutung mag zwei Aspekte von vornherein scharfer ins Licht rücken: Hinsichtlich der Glaubens-Vorgabe und der Form, in der sie vollzogen wird, spricht Anselm von credimus, von der Wir-Gestalt des Glaubens. lm Horizont dessen jedoch, was durch diese Glaubens-Vorgabe und ihren Vollzug freigesetzt wird, ist einfach von einem cogitare die Rede, das sich nicht in eine Wir-Gestalt hinein konkretisiert, sondern Denken schlechthin meint: ein Denken freilich, das - wie das Verfügtsein von credimus und cogitare in die sprachliche Einheit des Satzes nahelegt - nicht jenseits dieses Wir und doch innerhalb desselben wiederum in einer anderen Dimension als das Glauben angesiedelt ist. Von hier aus wenden wir uns der Frage zu, welche spezifischen Moglichkeiten gegenseitiger Implikation die intentio obliqua des Arguments hinsichtlich der beiden eben genannten Aspekte freilegt. 1) Unleugbar besitzt die Glaubens-Vorgabe im Rhythmus des Arguments auf jeden Fall eine Aprioritat. Fixiert man sie auf den verbalen Sinn des Gesagten, so konnte dies die Reflexion sofort dazu verführen, von einer vergewaltigenden Vorherrschaft des Glaubens über den Akt des Denkens, d.h. schlie~lich des Wissens überhaupt, zu sprechen. Doch dies hie~e Intention und geschichtliche Leistung des Anselm in der Auseinandersetzung zwischen Dialektikern und Anti– Dialektikern im 11. Jh. gründlich mi~verstehen. Die sogenannten Dialektiker, wie etwa Anselm von Besate und Berengar von Tours, reduzierten - so dürfen wir vereinfacht sagen - Philosophie und Wissenschaft auf Dialektik im Sinne der Logik ohne jede Rücksicht auf den jeweiligen Sachaspekt. So konnte sie gerade ihr teilweise hohes logisches und rhetorisches Niveau dazu verführen, Probleme weniger durch Einsicht in die Sache als vielmehr durch blo~e 3 Pros!., c. 2 (I, 101). Zitiert wird nach Werktitel und Kapitelangabe sowie nach Band (rom. Ziffern) und Seitenzahl (arab. Ziffern) der S. ANSELM! Cantuariensis Archiepiscopi Opera omnia, !mg. v. Fr. S. Schmitt, 6 Bde., Seckau/Rom/Edinburgh, 1938-1961.

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