BASA
Anselmianischen Argument 117 Wortmanipulationen losen zu wollen: z.B. auch Glaubenswahrheiten allein dem Ma~ einer innerlogischen Norm zu unterwerfen . Die Reaktion konnte nicht ausbleiben. Die sogenannten Anti-Dialektiker verfielen ins andere Extrem. So dekretierte Petrus Damiani die Theologie als Glaubenswissen zur obersten Norm. Denn - so erlautert er uns recht anschaulich - die Dialektik sei eine reine Erfindung des Teufels : dieser habe als erster « Professor » dieser Disziplin den Menschen die Grammatik und damit auch die Pluralbildung des schlechthin Einen gelehrt : Eritis sicut dii, scientes bonum et malum. Folglich komme der Philosophie bestenfalls die Rolle einer serva zu, deren Existenzberechtigung allein im bedingungs– losen Gehorsam gegenüber der Theologie liege. 4 Anselm verwirft mit aller Scharfe die ruchlose Vermessenheit (nefanda temeritas) und den torichten Stolz (insipiens superbia) der Dialektiker, die ihren beschrankten Verstand zum Ma~ aller Wahrheit machen wollten. 5 Aber ebensowenig vermag Anselm dem Eiferer Petrus Damiani zu folgen . Eingedenk der Aufforderung des Boethius: fidem si poteris, rationemque coniunge, wird der Versuch einer Synthese von Glauben und Wissen zur bestimmenden Lebensaufgabe. Bezeichnenderweise sollte der Titel des Proslogion, wie uns das Prooemium berichtet, ursprünglich lauten: fides quaerens intellectum. Doch im selben Atemzug, da er sich gegen die Dialektiker wendet, bezeichnet Anselm die ratio als princeps et iudex omnium... 1uae sunt in homine, 6 versteht er also sein Programm der fides quaerens intellectum dahingehend, da~ Wahrheit als wirklich seiende 4 Vgl. · De divina omnipotentia, cap. 4 und De sancta simpliritate, cap. 1. In der Retrospektive zeigt sich hier erneut die Virulenz des theologischen Rigorismus tertullianischer Pragung, der dem dominierenden Heilsinteresse alles « nutzlose » Wissen (ais letztlich gottwidrige Selbstverfangenheit der sündig-hochmütigen Kreatur) opfert. Vgl. z.B. TERTULLIAN, De praescriptione haereticorum, cap. 7: « Nabis curiositate opus non est post Jesum Christum, nec inquisitione post evangelium. Cum credimus, nihil desideramus ultra credere. Hoc enim prius credimus, non esse quod ultra credere debeamus ». - Prospektiv ware zu fragen, ob sich hinter der « buchstablichen » Verteufelung der Philosophie durch PETRUS DAMIAN! nicht schon - wenn auch noch kaum geahnte, geschweige denn schon ausdrücklich gewu~te - « Einsichten » verbergen über die Beziehung von Sprache, Logik und Motivation : letztere nicht nur psychologisch verstanden, sondern ais Vorgabe einer bestimmt-bestimrnenden Denkstruktur durch und ais Sprache. 5 De incarn. verbi, cap. 2. 0 Ibid.
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