BASA
118 J. Reiter Wahrheit ( « etwas ») sala ratione ohne jede Anleihe bei der hl. Schrift oder dem Lehramt der Kirche zu beweisen sei. Wird dadurch nicht, in einer ungleich radikaleren Weise als bei den Dialektikern, das Apriori der Glaubensvorgabe zusammen mit der Wir-Gestalt des Glaubens-Vollzugs auf die cogitatio hin entmachtigt? Hat diese dann nur mehr die Funktion, die dem Denken not-wendige Glaubens-Vorgabe sukzessiv ihres Voraussetzungscha– rakters zu entkleiden, also das durch den Glauben Vorgegebene in eine Selbstgegebenheit des Denkens zu verwandeln? Hie~e das nicht, eine notwendige Voraussetzung schlie~lich in die blo~e Setzung eines « emanzipierten » Denkvollzugs aufheben, der zwar seiner inhaltlichen Seite nach vom Credo aus er-folgt, diesen Inhalt aber in eine allgemeine, nicht mehr glaubens-spezifisch bestimmte Form des Denkens hinein logisiert? Scheint sich hier nicht schon im Ansa'tz eine Thematik anzubahnen, die in der Aufhebung der offenbaren Religion durch das absolute Wissen sich bei Hegel vollenden wird? 7 Und umgekehrt: Bleibt die Voraussetzung der Glaubens-Vorgabe einfachhin erhalten, versucht das Argument nicht schon von vornherein diese Vorgabe unter der Rücksicht des sich selbst vollendenden Denkens vorauszusetzen: wie konnte dann das Denken wirklich frei sein - angesichts eines Apriori, das es doch niemals wird ganzlich in der Form des Denkens einholen konnen? Wird die Reflexion nicht dazu verführt werden, diese Vorgabe dann von einer gewissen Unaufgeklartheit über sich selbst als Denken her zu verstehen? Wird es das, was unter der Form des Glaubens im Denken vor Augen tritt, nicht nur als des Denkens eigenen Mangel betrachten, der im Ma~e des Zu-sich-kommens des Denkens abgeschafft, d.h. doch wieder in die Identitat des Denkens mit sich selbst eingebracht werden sollte und schlie~lich auch konnte? 7 V gl. z.B. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, WW ed. H . Glockner, Bd. XI, Stuttgart 1961, S. 41 f: « Vielmehr ist es in neueren Zeiten so weit gekommen, da~ die Philosophie sich des religii::isen Inhalts gegen manche Art yon Theologie anzunehmen hat. In der christlichen Religion hat Gott sich geoffenbart, das hei~t, er hat dem Menschen zu erkennen gegeben, was er ist... ; es ist uns mit dieser Mi.iglichkeit, Gott zu erkennen, die Pflicht dazu auferlegt ... Die Entwicklung des denkenden Geistes, welche aus dieser Grundlage der Offenbarung des gi.ittlichen Wesens ausgegangen ist, mu~ dazu endlich gedeihen, das, was dem fühlenden und vorstellenden Geist zunachst vorgelegt worden, auch mit dem Gedanken zu erfassen ».
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