BASA

Anselmianischen Argument 119 2) Wir sehen also, wie von allem Anfang an die intentio obliqua des Arguments in einer scheinbar unabsehbaren Vieldeutig– keit sich ausspielt. Sie reduziert sich jedoch bei genauerer Betrachtung auf einen die verschiedenen Perspektiven umfassenden Grundansatz, den wir - vorgreifend und in Anlehnung an die Terminologie Hegels - den Ansatz der « reinen Einfachheit des Denkens » nennen dürfen. 8 Diese reine Einfachheit des Denkens entfaltet sich bei Anselm aber nicht als selbstherrlicher Rationalismus. Wenn sich für die Glaubensgeheimnisse die entsprechenden rationes necessariae bei– bringen lassen, so gilt es, die Unterscheidung von voraufgehender (necessitas praecedens) und nachfolgender Notwendigkeit (necessitas sequens) zu beachten. 9 D.h. menschliche Vernunft versteht sich hier nicht als schlechthin deduktiv-konstruierend, sondern im würtli– chen Sinne als einsichtiges Nach-denken der an sich intelligiblen Struktur des Geoffenbarten kraft eben dieses Geoffenbarten. Dieses Wissen konstituiert sich im Ausgang vom Glauben, nicht umgekehrt: Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam. Nam et hoc credo: quia nisi credidero, non intelligam. 10 Anselm steht hier ganz klar in der besonders durch das Denken des Atigustinus stets lebendig gebliebenen Tradition der alexandrini– schen Katechetenschule des endenden 2. und beginnenden 3. Jahrhunderts, insbesondere des Klemens von Alexandrien mit dem von neuplatonischem Geist bestimmten Dreischritt von credere - intelligere - videre: « der Glaube als Heilung zum Einsehen hin, das Einsehen als beginnendes Schauen; also gewi~ kein Einsehen wenn nicht aufgrund des Glaubens ( crede ut intelligas ), aber das 8 Vgl. G. W. F. HEGEL, Philosophische Propiideutik § 163, WW, ed. cit. Bd. III, S. 212: « Das Denken ist die Tiitigkeit des Geistes in seiner unabhiingigen, sich selbst gleichen Einfachheit, welche aus und in sich selbst Bestimmungen setzt, die den Charakter der Sichselbstgleichheit und Allgemeinheit haben ». 9 Vgl. dazu etwa Cur Deus homo, lib. 2, cap. 17 (II, 125) sowie De concordia, cap. 2 und 3 (II, 249 f). Die « necessitas praecedens » als «causa ut res sit » identifiziert sich letztlich mit dem von der unendlichen Einsicht geleiteten schêipferischen Wollen Gottes. Von der « necessitas sequens » als jener, « quam res facit » hei~t es: « Huiusmodi autem necessitas non cogit rem esse, sed esse rei facit necessitatem esse» (II, 125). ' 0 Pros!., cap. 1; 1, 100.

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