BASA
Anselm und das Naturrecht 193 eindeutig christlich gepragten Zusammenhang; es geht in dem 20. Kapitel dieses Werkes um die satisfactio, die der Mensch von sich aus nicht leisten kann; darum lasst Anselm die Natur sich direkt an den christlichen Gesprachspartner wenden (dies zeigt das te und das conserva). Zum zweiten wird der Begründung, dass die Natur dieses Grundverhalten lehre, hinzugefügt, dass, wer nicht hergeben will, was er hat, auch nicht empfangen dürfe, was er nicht hat. Diese Begründung ist nur aus dem der angeführten Stelle vor– ausgehenden Text verstandlich; hier wird gesagt, dass wir alles, was wir besitzen, von Gott empfangen haben. Weshalb hat wohl Anselm diese aus christlicher Schau sich ergebende Begründung noch hinzugefügt? Weil ihm die Begründung aus der natura allein nicht genügte, oder weil er aus Konsequenz zu seinem wissenschaftlichen Programm alles auch aus der fides christiana zu begründen suchte, selbst wenn es aus der Natur an sich schon genügend deutlich wurde? Aus dem angegebenen obersten Grundgesetz leitet Anselm keine weiteren allgemeinen Rechtssatze auf rein rationale Weise ab. Aber er führt gelegentlich doch solche Satze an, die er nicht weiter zu begründen sucht. So heisst es in De veritate 18 : ... nec aliud recte et iuste est, nisi quod debet esse. lm Proslogion 19 führt er aus: Quod non iuste fit, non debet fieri; et quod non debet fieri, iniuste fit ... Iustum est, ut malos punias. Quid namque iustius, quam ut boni bona et mali mala recipiant. Das sind allgemeine Satze, Regeln oder Gesetze, die er nicht naher zu erklaren oder auf andere Gesetze oder auf einen Gesetzgeber zurückzuführen sucht. Da Anselm nur gelegentliche Ausserungen zur Frage des Naturrechts macht, ist es selbstverstandlich, dass er nicht, wie es spater der Fall war, aus solchen Satzen ein System naturrechtlicher Satze aufzubauen sucht. Damit bleibt Anselm aber auch im Rahmen dessen, was naturrechtlich immer vertreten werden konnte. Was Cicero, die Vater u.a. sonst noch alles als von Natur Rechtens erklart haben, davon nimmt Anselm keine Notiz. Er sah dazu offenbar keine Veranlassung, obwohl er bei Augustinus oft genug solchen Fragen begegnet ist. 18 c. 12, p. 192, 1-2. lO c. 9 f, p. 108, 17; 23 f.
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